Warum zurück zum Mond?
Die Erforschung unseres Erdtrabanten hat eine lange Geschichte. Bereits am 2. Januar 1959 startete die sowjetische Raumsonde Luna 1 zum Mond. Seitdem sind viele Raumsonden im sowjetischen Luna-Programm sowie im Ranger- und im Surveyor-Programm der USA dorthin aufgebrochen. Dann kam Apollo und damit die Landung der ersten und letzten zwölf Astronauten auf der Mondoberfläche. Doch nachdem im Dezember 1972 mit Eugene A. Cernan und Harrison H. Schmitt die letzten beiden den Mond wieder verlassen hatten, 1973 der russische Rover Lunochod 2 nach unglaublichen 42 Kilometern zum Stillstand kam und mit Luna 24 im Jahr 1976 die vorerst letzte Mondsonde 170 Gramm Gestein zur Erde zurückbrachte, blieb nach diesen Leistungen auch das Interesse für unseren Trabanten gewissermaßen erst einmal im Mondstaub liegen. Im Jahr 2009 wurde die Mondeuphorie international wieder geweckt, als Chandrayaan-1 (Indien) Wasser – oder genauer Hydroxyl-Ionen in Mineralen – auf der Oberfläche entdeckte. Als kurze Zeit später der am 18. Juni 2009 gestartete US-amerikanische Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) die indische Beobachtung bestätigte, war das neue Interesse endgültig entfacht. LRO lieferte auch dank deutscher Unterstützung die Grundlagen für ein überarbeitetes Koordinatensystem des Mondes, genaue topografische Karten der Oberfläche, die Suche nach geeigneten Landestellen für zukünftige Missionen, die Suche nach leicht flüchtigen Elementen – insbesondere Wassereis in den Kratern der Polgebiete, Aussagen über die Häufigkeit von Meteoriteneinschlägen auf der Oberfläche sowie Aussagen über die Geschichte des Mondes. Außerdem trug LRO maßgeblich dazu bei, dass die Mondeuphorie Substanz bekam, denn im Jahr 2017 konnte eine US-amerikanische Studie mit LRO-Daten zeigen, dass der Mondmantel vermutlich ähnliche Wasserkonzentrationen wie der Erdmantel aufweisen könnte. Auf einmal wurde unser Erdbegleiter wieder interessant. Weitere Gesteinsproben aus anderen Gebieten sind nötig, um seine Geschichte – und damit auch die Geschichte unserer Erde und unseres Sonnensystems – besser zu verstehen. Gleichzeitig ist der Mond auch für Raumfahrtfirmen interessant geworden. Denn wenn die Menschheit zum Mars will, kommt sie am Mond nicht vorbei. Der Mond wird zum Sprungbrett für die Reise zum Roten Planeten. Hierfür muss Infrastruktur auf der Oberfläche und in der Umlaufbahn aufgebaut werden. Das öffnet auch das Tor für bestimmte Dienstleistungen. Deswegen bleibt der Mond auch 50 Jahre nach der Apollo-17-Mission ein wichtiges Ziel und fasziniert die Menschheit.
Deutsche Technologie bringt USA zum Mond
Als am 16. November 2022 die Artemis I Mission vom Launchpad 39B von Cape Canaveral in Florida aufgebrochen ist, wurde der Startschuss zur astronautischen Rückkehr zum Mond eingeleitet. Nach mehreren Verschiebungen startete die neue SLS-Block-1-Rakete mit dem ersten Orion-Raumschiff in Richtung unseres Erdtrabanten und landete am 11. Dezember 2022 sicher wieder im Pazifik. Die Rückkehr zum Mond ist allerdings keine rein US-amerikanische Angelegenheit: Als das erste, zunächst noch unbemannte Orion-Raumschiff zur Vorbereitung von zukünftigen astronautischen Missionen zu seiner Umlaufbahn um unseren Erdtrabanten aufbrach, wurde es von deutscher Technologie angetrieben und auf Kurs in Richtung Mond gebracht. Und die Orion-Raumkapseln werden auch weiterhin durch diese Antriebs- und Versorgungseinheit – das sogenannte European Service Module (ESM) – zum Ziel gebracht. Denn die NASA hat im Rahmen ihres Artemis-Programms bei der Europäischen Weltraumagentur ESA bislang sechs solcher ESM bestellt, die alle hauptverantwortlich bei Airbus in Bremen gebaut werden. Deswegen ist das erste Modul „ESM-1 Bremen“ auch nach der Hansestadt benannt. Weitere sechs sollen folgen.
Die ESM sind das Herzstück aller Orion-Raumschiffe und sitzen unterhalb der Crew-Kapsel. Ihr Haupttriebwerk bringt künftig wieder Astronauten zum Mond – unter anderem auch erstmals drei Europäer zur geplanten internationalen Mondraumstation Lunar Gateway – und liefert über vier Solarsegel den Strom für ihren Flug. Außerdem reguliert es Klima und Temperatur im Raumschiff und lagert Treibstoff, Sauerstoff und Wasservorräte für die Crew. Das Orion-Raumschiff und damit auch die ESM gelten als zentraler Meilenstein für künftige astronautische Missionen zum Mond, aber auch zum Mars und darüber hinaus. Das ESM-2, das erstmals Artemis-Astronauten in eine Mondumlaufbahn bringen soll, wurde bereits ausgeliefert. ESM-3, das für die erste Artemis-Mondlandemission vorgesehen ist, befindet sich derzeit im Bau.
Dr. Walther Pelzer
DLR-Vorstand und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur im DLRArtemis in Zukunft
Die Artemis-Missionen sind in einzigartiger Weise darauf ausgerichtet, unser Wissen über unseren ständigen Begleiter zu erweitern und eine langfristige menschliche Präsenz auf dem Mond und in seiner Umgebung zu einzurichten. Dabei konzentriert sich die NASA auf den Flug zum Mond, die Landeplätze rund um den Südpol, die Einrichtung der Gateway-Raumstation im Mondorbit sowie die Verlängerung der astronautischen Expeditionsdauer auf der Mondoberfläche. Um die Anforderungen der Missionen bestmöglich zu erfüllen, bindet die NASA bei der Entwicklung der Artemis-Technologie internationale Partner sowie verstärkt auch die Industrie ein. Im Rahmen der Commercial Lunar Payload Services (CLPS-) Initiative arbeitet die NASA zum Beispiel mit mehreren amerikanischen Unternehmen zusammen, um Wissenschaft und Technologie auf die Mondoberfläche zu bringen. Auf diese Weise kann die NASA ihr Wissen weitergeben und gleichzeitig die Aufsicht über die Sicherheit behalten, während die Industriepartner ihre Entwürfe entwickeln, testen und überarbeiten. Doch die NASA denkt schon weiter: Damit sich die Menschen, nach den allerersten Missionen, auf der Mondoberfläche „häuslich einrichten“ können, hat die NASA ihre Lunar Surface Innovation Initiative gestartet. Hier werden Technologien zur Nutzung der Ressourcen des Mondes entwickelt und demonstriert, um Wasser, Treibstoff und andere Vorräte vor Ort zu produzieren sowie Fähigkeiten zur Ausgrabung und zum Bau von Strukturen auf dem Mond zu untersuchen. Denn je weiter der Mensch in die Tiefen des Weltraums vordringt, desto wichtiger wird die Herstellung von Produkten aus lokalen Materialien, die so genannte In-situ Resource Utilization (ISRU).