Satellitennavigation – Wegbereiter für Innovationen und Wertschöpfung
Satellitennavigation erleichtert unser Leben und ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken: Sie hilft uns dabei, ohne Stau entspannt in den Urlaub zu fahren oder zu sehen, in wieviel Minuten der nächste Bus kommt. Brauchen wir Geld, dann kommt es dank der genauen Zeitsignale der Navigationssatelliten weltweit zuverlässig aus Bankautomaten. Auch bargeldloses Bezahlen funktioniert mit Unterstützung dieser Signale. Kein Wunder, dass die Wirtschaft immens von den durch Satellitennavigationssysteme bereitgestellten Positions- und Zeitinformationen profitiert. Die große Vielfalt an Anwendungsfeldern sorgt in der Luftfahrt, Schifffahrt, dem Landverkehr, der Geodäsie, Landwirtschaft, Lebensrettung und Raumfahrt für einen rasch wachsenden Markt. Allerdings ist ein Satellitennavigationssystem selbst kein eigenständiger Dienst. Es öffnet zahlreichen Diensten – genauso wie das Internet – „nur“ die Tür. Als Wirtschaftskatalysator schafft ein solches System in einer Vielzahl von Branchen Arbeitsplätze – unter anderem in der Raumfahrt-, Empfänger- und Anwendungsindustrie und vielen IT-basierten Dienstleistungen. Auch die Gesellschaft profitiert, da sich durch ein derartiges System beispielsweise Verkehrsnetze und das Rettungswesen effizienter gestalten lassen.
LEO-PNT – Satellitennavigation aus dem niedrigen Erdorbit
Die ESA hat seit langer Zeit wieder einmal eine Weltraummission für die Navigation beschlossen. Es ist die erste, seitdem 2008 der Galileo-Testsatellit GIOVE-B gestartet wurde. Mit der Mission im neuen Programm FutureNAV sollen Technologien für Positions-, Navigations-, und Zeitdienste (PNT) für den niedrigen Erdorbit (LEO) entwickelt und im Orbit demonstriert (IOD) werden, daher die englische Abkürzung LEO-PNT-IOD. Die Navigationssignale aus dem LEO werden stärker sein als bisher. Sie können auch weitere vorteilhafte Eigenschaften aufweisen, zum Beispiel verbesserte Geometrien oder neue Frequenzbereiche. Dadurch sind sie sogar gegen absichtliche Störungen besser geschützt. LEO-PNT eröffnet also Anwendungsmöglichkeiten in vielen Bereichen, in denen das bisher bloß mit Einschränkungen möglich war. So werden die Voraussetzungen für das autonome Fahren verbessert, aber auch für die herkömmliche Satellitennavigation. Stationäre Anwendungen profitieren ebenfalls von den neuen Technologien, oder in Innenräumen für industrielle Anwendungen beziehungsweise das Internet der Dinge.
Die technologische und strategische Bedeutung dieser Navigationsmission zeigt sich ganz deutlich daran, dass sie zu den am stärksten überzeichneten Programmen der „CM22“ gehörte. Denn die ESA-Mitgliedstaaten haben wesentlich mehr Budget in dieses Programm investiert, als es die ESA selbst vorgeschlagen und erwartet hatte. Insgesamt werden voraussichtlich über 180 Millionen Euro für diese Mission zur Verfügung stehen. Nun soll bereits 2025 eine Satellitenkonstellation im LEO diese neue Form der Satellitennavigation demonstrieren. Später können die beteiligten Unternehmen ihre dabei gewonnenen Erfahrungen entweder in kommerzielle Dienste oder in ein institutionelles System einbringen, zum Beispiel bei der EU. Das neue Programm FutureNAV unterstreicht damit die Rolle der ESA als führende europäische Organisation bei der Entwicklung von neuen Raumfahrttechnologien - auch in der Navigation. Deutschland hat sich mit 5,28 Millionen Euro an der neuen Programmkomponente LEO-PNT beteiligt und weitere knapp 35 Millionen Euro angekündigt.
NAVISP – deutsche Firmen sind mit dabei
Das „Innovations- und Unterstützungsprogramm für Navigation“ (NAVISP) der ESA gibt Unternehmen die Gelegenheit, innovative Technologien und Verfahren für die Navigation einzubringen. Deutsche Firmen und Forschungseinrichtungen können ihr technisches Wissen aus der ersten und zweiten Galileo-Generation nutzen, um mögliche Technologieansätze für eine dritte zu untersuchen. Technologieentwicklungen für Galileo und EGNOS werden im EU-Forschungsprogramm Horizon Europe durchgeführt. Während so die Weiterentwicklung von Galileo durch Brüssel finanziert wird, schafft NAVISP jenseits der laufenden EU-Entwicklungen weitere innovative Navigationslösungen für neue Anwendungen. Mit diesem optionalen ESA-Technologieprogramm werden seit 2017 Studien durchgeführt, die langfristig zu innovativen Technologien beitragen sollen – nicht nur auf Navigationssatelliten, sondern für den gesamten Downstream-Markt.
Zusätzlich zu satellitenbasierten Signalen dürfen auch terrestrische Signale mit in Betracht gezogen werden – zum Beispiel Mobilfunk oder die im Aufbau befindlichen Megakonstellationen. Das Programm geht mit der ESA-Ministerratskonferenz in Paris in die Phase 3 über, die von 2023 bis 2025 laufen wird. Weitere Phasen können von den Teilnehmern beschlossen werden. Deutschland beteiligte sich von 2018 bis 2021 an Phase 1 und seit 2021 an Phase 2. Nun hat die Bundesrepublik bereits auf der CM22 die NAVISP-Phase 3 gezeichnet. Sie bleibt so stimmberechtigt, und deutsche Unternehmen können ihre Führungsposition in der Satellitennavigation ausbauen. Seit der ersten deutschen Beteiligung 2019 hat sich das Programm rasch als interessante Fördermöglichkeit etabliert – nicht zuletzt bei KMU. Inzwischen laufen über ein Dutzend Projekte von Firmen aus Deutschland oder wurden bereits erfolgreich abgeschlossen.
NAVISP besteht aus drei getrennten Elementen. Die Elemente 1 & 2 wurden von Deutschland gezeichnet. In diesen beiden Elementen können Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus Deutschland ihre Vorschläge oder Angebote einreichen.
Element 1: Innovation
- Jährliche Ausschreibungen der ESA zur Entwicklung innovativer Konzepte und Technologien für die gesamte Wertschöpfungskette der Navigation
- Beispiele: Verschmelzung von Satellitennavigation und anderer Sensorik am Boden; nahtloser Übergang von Indoor zu Outdoor; besserer Schutz der Signale
- 100-Prozent-Finanzierung der beteiligten ESA-Programmteilnehmer
Element 2: Wettbewerbsfähigkeit
- Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie in den Bereichen System, Ausrüstung, Anwendungen und Dienste
- Beteiligung der Industrie zu 50 Prozent an den Kosten. Die andere Hälfte kommt von den ESA-Programmteilnehmern, die die einzelnen Projekte unterstützen. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) können eine Unterstützung von bis zu 80 Prozent einwerben.
Element 3: Unterstützung
- Technische Unterstützung bei der Durchführung von Aktivitäten im nationalen Programm
- Nutzung von ESA-Labors und technischen Anlagen
- 100-Prozent-Finanzierung durch die beteiligten ESA-Programmteilnehmer, die explizit die Unterstützung angefragt haben