Albert Arnold „Al“ Gore Jr.
45. US-Vizepräsident und FriedensnobelpreisträgerSir David Frederick Attenborough
Reporter, Biologe, Naturhistoriker und AutorIm Blick der Entdecker
Die zunehmenden Veränderungen des Erdsystems – insbesondere Klimawandel und Wetterextreme sowie Biodiversität und Umweltphänomene wie zum Beispiel Desertifikation und Rückgang von Feuchtgebieten – haben die Earth Explorer im Blick. Das Rahmenprogramm FutureEO mit seinen Entdecker-Missionen sind Ideenschmiede und Rückgrat der wissenschaftlichen Erdbeobachtung in Europa. Sowohl die Wettersatelliten der Europäischen Organisation für meteorologische Satelliten (EUMETSAT) und die meisten ihrer Messinstrumente wie auch die Sentinel-Satelliten des Copernicus-Programms haben hier ihre Ursprünge. Das Programm öffnet die Tür zu neuen Märkten, indem es verstärkt auf New-Space-Ansätze sowie innovative Technologie wie Künstliche Intelligenz (KI) und Maschinelles Lernen setzt. So können zum Beispiel Nutzer ihre Algorithmen an die ESA überspielen und dadurch ausgewertete Erdbeobachtungsdaten schneller als je zuvor erhalten. Das gibt auch kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie Start-ups die Chance, mit Dienstleistungen globale Märkte zu adressieren. Damit passt das Programm ideal in die Hightech-, die Mittelstands- und in die Nachhaltigkeitsstrategie sowie die Gründungsoffensive GO der Bundesregierung. Die mit modernster Technologie bestückten Entdecker-Satelliten sind die Basis des von Wissenschaftlern formulierten Forschungsprogramms „Lebender Planet“. Viele dieser Missionen sind unter deutscher wissenschaftlicher und industrieller Führung sowie mit attraktiven Arbeitspaketen deutscher Industrie und Forschergruppen entstanden. Mit der Zeichnung in Höhe von 347 Millionen Euro kann die deutsche Spitzenstellung auch in Zukunft weiter ausgebaut und der Zugang zu strategischen Schlüsseltechnologien gewahrt werden.
Im Blick der Wächter
Das Copernicus-Space-Component-Programm (CSC-4) der ESA ist Teil von Copernicus – eine gemeinsame Initiative der Europäischen Union, der ESA, EUMETSAT und deren Mitgliedsstaaten. Basierend auf bereits bestehenden und neuen Erdbeobachtungstechnologien stellt Copernicus operationelle Geoinformationsdienste für Umweltüberwachung und zivile Sicherheit zur Verfügung. Sie sind an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst und decken vorrangig die Bereiche Umwelt, Klimaschutz, nachhaltige Entwicklung, humanitäre Hilfe sowie Themen der zivilen Sicherheit ab. Die sechs neuen Wächtermissionen in CSC-4 werden gemeinsam mit der Weiterentwicklung von drei Wächter-Satelliten (Sentinel 1NG, 2NG und 3NG) neue Beobachtungen ermöglichen und langfristig in die Zukunft führen. Unter anderem werden sie den unterzeichnenden Staaten des Pariser Klimaabkommens dabei helfen, ihre Emissionsziele – insbesondere Kohlenstoffdioxid – im Rahmen des „Stocktake“ ab dem Jahr 2028 zu überwachen. Der langfristige Planungshorizont bei Copernicus und EUMETSAT bietet eine große Chance für deutsche Industrieunternehmen, sich im Rahmen der ESA-Programme attraktive Folgeaufträge für Serienproduktionen zu sichern. Viele Forschungseinrichtungen und Dienstleister aus der Bundesrepublik werden zudem an der Datenauswertung beteiligt sein – ein starkes deutsches Signal in Richtung Umwelt- und Klimaschutz. Der kostenfreie Datenzugang ermöglicht außerdem deutschen Unternehmen neue Geschäftsfelder im Bereich Geoinformationsdienstleistungen zu erschließen und steht damit auch im Zeichen der Kommerzialisierungsstrategie der Bundesregierung. Verschiedene Studien kommen zu dem Schluss, dass jeder in Copernicus investierte Euro zwischen vier und zehn Euro an sozioökonomischen Nutzen erzeugt. In Deutschland profitieren vor allem Politik, Verwaltung sowie wichtige Wirtschafts- und Wissenschaftsbereiche von den qualitativ hochwertigen Informationen. Um dieses einfache und stabile „Tor“ zu den Sentinel-Daten weiter zu verbessern, wird das Copernicus-Bodensegment stetig ausgebaut, damit die Zahl von weltweit hunderttausenden Nutzern in Zukunft noch weiter ansteigen und weiter vereinfacht wird. Mit der Zeichnung in Höhe von 185 Millionen Euro behält Deutschland die Führungsrolle im operationellen europäischen Erdbeobachtungsprogramm.
Rückenwind für die Verbesserung der Wettervorhersage
Wolken – und mit ihnen Schlechtwetterfronten – sind ständig in Bewegung. Dahinter steckt auch der Wind. Er beeinflusst das Wettergeschehen, spielt aber bisher bei den Vorhersagen keine große Rolle. Denn die Winddaten stammen meist von Wetterballons oder Verkehrsflugzeugen. Das Windgeschehen über dünn besiedelten Gebieten, Polarregionen oder über den Weltmeeren wird daher bislang kaum beobachtet, obwohl es großen Einfluss auf das globale Wettergeschehen nimmt. Aeolus aus dem FutureEO-Programm ist der erste Satellit, der mit seinem Doppel-LiDAR-Instrument seit August 2018 Windfelder und ihre Bewegung weltweit in verschiedenen Höhenschichten in der gesamten Atmosphäre misst und erfasst. Mit Aeolus-2 wird aus diesem Testsatelliten nun ein Programm bei der Europäische Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten EUMETSAT. Zwei Satelliten sollen im Zeitraum 2030 bis 2040 routinemäßig globale 3D-Windfelder messen, um unsere Wettervorhersage deutlich zu präzisieren. Im Vorbereitungsprogramm von Aeolus-2 ist Deutschland mit nationalen Mitteln an der Entwicklung des Lasertransmitters beteiligt. Vom Fraunhofer-Institut für Lasertechnologie in Aachen wurden in Zusammenarbeit mit Airbus in Friedrichshafen neue, weltweit führende Technologien entwickelt, die beim Laserinstrument der nationalen Methanmission MERLIN eingesetzt werden. Für die Entwicklung weiterer Instrumentenbaugruppen wie dem Teleskop kommen OHB und Jena-Optronik in Frage. Aus wissenschaftlicher Sicht spielt das DLR-Institut für Physik der Atmosphäre eine zentrale Rolle. Seitens des Deutschen Wetterdienstes DWD besteht ein großes Interesse an einer Nutzung der Daten. Auch die europäische Wissenschaftsgemeinschaft, das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW) und die UN-Behörde für Meteorologie (WMO) unterstützen diese Mission. Mit der Zeichnung in Höhe von 105 Millionen Euro hat die Bundesregierung den richtigen Schritt getan, damit das LiDAR-Instrument in Deutschland gebaut wird.
Satellitendaten als Entscheidungsgrundlage für Klimamaßnahmen
Zwar ist unumstritten, dass Satellitendaten weltweit einen großen Wert für Klimaforschung und -dienste bieten. Dennoch werden diese Daten nicht systematisch in die vom Pariser Kilmaabkommen vorgeschriebene, internationale Berichterstattung und dementsprechend auch nicht in die Entscheidungsfindung für Klimaschutzmaßnahmen einbezogen. Das soll das neuaufgelegte Earth Watch Programm CLIMATE-SPACE nun ändern und die satellitenbasierte Erdbeobachtung im UN-Klimarahmenprogramm (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) und dementsprechend auf den Weltklimakonferenzen einbringen. In Kontinuität zu vorherigen Programmen werden zu den Klimavariablen Projekte aufgelegt, um aus den Daten von ESA- und nationalen Missionen homogene Langzeitreihen bereitzustellen. Diese exakten Klimainformationen sollen neue Erkenntnisse zum Erdsystem offenbaren sowie die Vorhersagen durch Modelle verbessern. Neu ist auch der Fokus auf die Forschung zu den Kipp-Punkten, deren Überschreiten keine Rückkehr zum vorherigen Klimazustand erlaubt. Gerade hier ergibt sich ein hohes Synergiepotenzial mit nationalen Forschungsvorhaben. Denn Deutschland hat im Vorläuferprogramm wesentliche Klimavariablen-Projekte geführt und durch Künstliche Intelligenz (KI) in der Auswertung seine wissenschaftliche Stellung in diesen Bereichen ausbauen können. Darüber hinaus sind KMUs der Datenveredelungsindustrie zu einem großen Anteil beteiligt. Deutschland kann auch durch seine eigenen Missionen (EnMAP, TanDEM-X sowie GRACE-FO und zukünftig auch MERLIN) eigene Beiträge leisten. Mit der Zeichnung in Höhe von 20 Millionen Euro hat die Bundesregierung den richtigen Schritt getan, damit Datenprodukte „made in Germany“ Grundlage für internationale Klimaschutzmaßnahmen werden.
Deutsch-amerikanische Mission GRACE bekommt europäischen Partner
Veränderungen des Grundwasserspiegels wie hier im Jahr 2018 in Europa können mit den GRACE- und den GRACE-FO Schwerefeldmissionen der NASA, der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR und des GeoForschungsZentrums GFZ in Potsdam global vermessen werden. Keine anderen Missionen können diese wichtigen Daten so genau erheben wie GRACE. GRACE und GRACE-FO wurden auf deutscher Seite vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz finanziert. Die ESA hat auf der Ministerratskonferenz 2022 in Paris entschieden, sich über das FutureEO-Programm an künftigen GRACE-Missionen zu beteiligen. Die Daten aus den GRACE-Missionen fließen immer wieder in die Sachstandsberichte des Weltklimarats IPCC ein. Im sechsten Bericht sind GRACE und GRACE-FO die dritthäufigst zitierten Satellitenmissionen.
Schubkraft für innovative Ansätze
Ergänzend zu FutureEO schafft das Programm Earth Watch – InCubed-2 (Investing in Industrial Innovation Plus) einen Rahmen, um flexibel und agil mit der europäischen Erdbeobachtungsindustrie zusammenzuarbeiten. Die ESA reagiert damit auf die dynamische Entwicklung von New-Space-Aktivitäten im Erdbeobachtungssektor. Durch industriell geführte Partnerschaften bleiben die Firmen einerseits in der vollen unternehmerischen Verantwortung, profitieren andererseits aber vom Know-how der ESA. So wird gezielt die Entwicklung marktgetriebener Erdbeobachtungsaktivitäten gefördert, die mitunter riskant und mit einem hohen finanziellen Risiko verbunden, aber stets sehr erfolgversprechend sind. InCubed-2 steigert so die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie bei Komponentenfertigung, Missionsbetrieb, Plattform- und Bodensegmenttechnologien sowie Datenzugang, damit innovative Ansätze europäischer Anbieter auf dem Weltmarkt konkurrieren können. Programminhalte werden auf industrielle Vorschläge hin ausgewählt. Die ESA übernimmt eine finanzielle Beteiligung von bis zu 80 Prozent und trägt somit einen großen Teil des finanziellen Risikos. Zudem beraten ESA-Experten bei technischen Aspekten, Marktkenntnis und Vernetzung. Seit dem Beitritt Deutschlands zum InCubed-Programm während der Space19+ in Sevilla gab es ein starkes Interesse deutscher Start-ups, KMUs, großer Raumfahrtfirmen und Forschungseinrichtungen: Bis zum Oktober 2022 wurden über 30 Ideen eingereicht, von denen 13 Vorschläge in die engere Begutachtung kamen. Davon wurden bisher neun Projekte gestartet. Mit einer Zeichnung in Höhe von 9,6 Millionen Euro ebnet Deutschland einheimischen Firmen und Forschungseinrichtungen weiterhin den Weg, ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem derzeit hochdynamischen, globalen kommerziellen Markt und ihre Ausgangsposition in den europäischen Erdbeobachtungsprogrammen weiter auszubauen.
Digitale Zwillinge als Abbild unserer Erde
Digitale Zwillinge sind „lebendige“ Modelle, die die reale und die virtuelle Welt miteinander verbinden. Auf Grundlage von Daten, Simulationen und KI-Methoden modellieren sie die Prozesse der realen Welt so exakt wie möglich und haben das Ziel, eine hochpräzise Nachbildung des Klimas, der Umwelt oder Mobilität in der digitalen Welt zu erzeugen. Führt man zum Beispiel bestimmte Umweltparameter wie Temperatur, Niederschlag und aktuelle Landbedeckungsdaten in einem digitalen Klimazwilling zusammen, dann könnte er vorhersagen, welche Regionen der Erde zu einem bestimmten Zeitpunkt besonders von Dürren oder Starkniederschlägen betroffen sind – ein wichtiges Thema auf der Weltklimakonferenz COP27 in Sharm El Sheikh. Der Programmvorschlag Earth Watch – Digital Twin Earth hat zum Ziel, verschiedene digitalen Zwillinge auf Grundlage von Erdbeobachtungdaten zu entwickeln und in einer offenen Plattform zugänglich zu machen. Durch diese neuartige Verknüpfung von Daten und die Nutzung von Methoden wie der Künstlichen Intelligenz, kann Digital Twin Earth Szenarien der Zukunft unserer Erde modellieren und einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten. Mit einer Zeichnung in Höhe von 2,78 Millionen Euro hat Deutschland einheimischen Firmen und Forschungseinrichtungen die Chance gegeben, Teil dieser Zukunftstechnologie zu werden.
Standardisierungslabor im Weltraum
Auf der ESA-Ministerratskonferenz Space19+ in Sevilla stand mit TRUTHS eine weitere, neue Earth-Watch-Mission zur Zeichnung. Die vom Vereinigten Königreich vorangetriebene Mission soll vor allem Referenzdatensätze erheben, um einige spezifische Satellitensensoren, wie sie zum Beispiel bei den Copernicus-Missionen und den entstehenden Konstellationen kleiner Satelliten mitgeführt werden, neu einzustellen. TRUTHS würde so ein weltraumgestütztes Beobachtungssystem einrichten, um das Vertrauen in Prognosen zum Klimawandel zu verbessern – man verspricht sich eine Art „Standardisierungslabor im Weltraum“. Zu diesem Zweck wird TRUTHS einen hyperspektralen Imager mitführen, um Vergleichsmessungen sowohl von der einfallenden Sonnenstrahlung als auch von der ausgehenden reflektierten Strahlung mit einer hohen Genauigkeit für den sichtbaren Spektralbereich durchzuführen. Deutschland hat diese Programmkomponente weder in Sevilla noch in Paris gezeichnet.