Erstes Bild eines vollständig montierten Testmodells der neuen ESA-Schwerlastrakete Ariane 6. © ESA-Manuel Pedoussaut
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Europas Antwort

Seit der letzten Ministerratskonferenz 2019 in Sevilla hat sich der Trägermarkt hochdynamisch weiterentwickelt. Die Ankündigung weiterer großer Satellitenkonstellationen fordert die europäischen Träger heraus. Bereits jetzt hat Ariane 6 volle Auftragsbücher und wird erfolgreich verkauft – und das vor ihrem Erstflug. Der europäische Startdienstleister Arianespace konnte bereits Verträge für insgesamt 18 Ariane-6-Träger für den Start einer kommerziellen Internetsatellitenkonstellation verkaufen. Die ersten Satelliten sollen ab 2024 mit Ariane 6 ins All fliegen. Darüber hinaus hat auch die Europäische Kommission eine europäische institutionelle Satellitenkonstellation angekündigt. Klares Ziel ist es, für diese Starts ausschließlich europäische Träger zu verwenden. Damit die zukünftige europäische Trägerrakete Ariane 6 in diesem Marktumfeld bestehen kann, müssen sie möglichst schnell und kosteneffizient produziert werden. Um allen Kundenwünschen gerecht zu werden, muss zudem die Leistungsfähigkeit der Ariane 6 nach Indienststellung schnell erhöht werden. Daher justiert die ESA die Trägerprogramme neu und bündelt zukünftige Entwicklungen und Leistungssteigerungen im Product Adaptations Programme (PAP), um insbesondere Ariane 6 leistungsstärker und flexibler zu machen. Deutschland ist nach Frankreich zweitgrößter Teilnehmer am Ariane-6-Programm und unterstützt damit die Sicherstellung des unabhängigen europäischen Zugangs zum Weltraum. Dafür hat die Bundesrepublik insgesamt 490,84 Millionen Euro im Trägerbereich gezeichnet.

Parallel zu den Entscheidungen zu Ariane 6 war Deutschland auf der Ministerratskonferenz der Treiber, um auch privatwirtschaftlich entwickelte Trägersysteme in Europa zu unterstützen. Ziel ist die Diversifizierung des europäischen Trägermarktes. Durch das BOOST!-Programm der ESA werden die Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche entwickelte Trägersysteme geschaffen in fairer weise mit den etablierten Trägerraketen zu konkurieren. BOOST! ist die konsequente Fortsetzung des nationalen Mikrolauncher-Wettbewerbs auf europäischer Ebene.

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Deutschlands Beitrag für Europas Zugang zum All

Neuer politischer Rahmen für einen veränderten Trägersektor

Neben den programmatischen Entscheidungen wurden auf der Ministerratskonferenz 2022 auch Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten zur grundsätzlichen Ausgestaltung des europäischen Trägersektors getroffen. Diese, in der "Entschließung über die Dynamisierung der Nutzung der Raumfahrt in Europa durch die ESA" , festgelegten Schritte wurden in einer "Gemeinsamen Erklärung zur Zukunft der Europäischen Trägernutzung" von den drei "Hauptträgerländern" Frankreich, Deutschland und Italien weiter konkretisiert. In beiden Dokumenten bekräftigen die Staaten ihre Sicht, dass die Bereitstellung eines eigenen, beständigen und resilienten Zugangs zum Weltraum für Europa als Raumfahrtmacht unerlässlich ist. Sie stellen aber auch fest, dass dies über ein System von Trägern mit unterschiedlichen Leistungen erfolgen muss, das zu mehr Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit führt und zugleich die ökologische Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz verbessert.

In der konkreten Umsetzung dieses übergeordneten Zieles wurden drei generelle Stoßrichtungen definiert:

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Mikrolauncher-Firmen bekommen Zugang zu ESA-Aufträgen. (German Space Agency at DLR)

Zum einen gab es die Bestätigung der Staaten, dass diese das Ariane-6-Geschäft am Anfang ihrer Nutzungsphase wirtschaftlich unterstützen.

Zum anderen wurde der ESA-Generaldirektor aufgefordert, gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten die Mechanismen dieser Unterstützung konkret zu definieren und gleichzeitig zu überprüfen, ob die rechtlichen Rahmenbedingungen der Trägernutzung angepasst werden müssen.

Abschließend erkennen alle ESA-Staaten an, dass auch privat entwickelte, europäische Mikro- und Mini-Launcher die Möglichkeit erhalten, sich um Starts von ESA-Nutzlasten zu bewerben. Hiermit wurde eine Grundkonsens im Spannungsfeld „Sicherung der Inbetriebnahme Ariane“ und „Ermöglichung des Zugangs von privaten Anbietern zum institutionellen Markt“ erreicht.

Ein besonderer Erfolg aus deutscher Sicht ist die Öffnung des Transports der ESA-Nutzlasten für privat finanzierte europäische Trägerraketen. Diese Entscheidung wird sich nachhaltig auf die europäische Raumfahrt auswirken und öffnet den größten europäischen Nutzlastmarkt auch für die bisher schon erfolgreichen deutschen Mikrolauncher-Unternehmen.
Dr. Walther Pelzer

Dr. Walther Pelzer

DLR-Vorstand und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR
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Die erste Oberstufe der Ariane 6 wurde am Prüfstand beim DLR Lampoldshausen erfolgreich getestet. (©Corvaja/ESA)
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P5-Prüfstand in der DLR-Testanlage Lampoldshausen zum Test von PROMETHEUS- und Vulcain 2.1-Triebwerken der Ariane 6
Eine weitere wichtige Entscheidung für Deutschland war auch, dass Lampoldshausen als Standort für Raketenstufentests und -bauteilfertigung nun Teil der strategischen ESA-Infrastruktur geworden ist.
Dr. Walther Pelzer

Dr. Walther Pelzer

DLR-Vorstand und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR
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Die Hauptstufe der neuen Generation der ESA-Trägerrakete Ariane 6 ist am 17. Januar 2022 per Schiff in Französisch-Guayana eingetroffen. Dies ermöglicht kombinierte Tests im europäischen Weltraumbahnhof, wo die Teile der Ariane 6 zum ersten Mal auf der Startrampe zusammengeführt werden. (ESA/CNES/Arianespace)

Betriebsphase Ariane 6

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Das Herzstück der neuen Generation der ESA-Trägerrakete Ariane 6 ist am 18. Januar 2022 per Schiff aus Bremen in Französisch-Guayana eingetroffen. (ESA/CNES/Arianespace)

Die Absicherung des laufenden Trägerbetriebes durch die Programme LEAP (Launchers Exploitation Accompaniment Programme) und CSG (Centre Spatial Guyanais) ist ein wichtiger Grundpfeiler des europäischen Raumtransports, ohne den der Einsatz der europäischen Träger nicht möglich wäre. Ein für Deutschland überaus wichtiger Teil des LEAP für Ariane 6 besteht in der Zukunftssicherung des Triebwerkstestzentrums am DLR-Standort in Lampoldshausen. Mit einer signifikanten deutschen Investition von 44 Millionen Euro wird dieser Standort als das europäische Testzentrum für Flüssigantriebe weiter gestärkt.

Zudem investiert Deutschland 110 Millionen Euro als Teil der beschlossenen Finanzierungsphase für den Zeitraum 2023 bis 2027 in den europäischen Raumfahrtbahnhof in Kourou (CSG). Damit wird neben den bisherigen Wartungs- und Betriebsaktivitäten auch mit der bereits auf der vorletzten Ministerratskonferenz gestarteten Programminitiative Core Launch Range Renewal (CLRR) die Modernisierung des Startplatzes abgedeckt – und damit die Ariane-6-Betriebskosten gesenkt sowie die Möglichkeit geschaffen, gezielter auf Kundenansprüche einzugehen. Ein wichtiger Schritt, denn der Startplatz in Französisch-Guyana stellt mit seiner Infrastruktur Europas ungehinderten Zugang zum Weltraum und damit auch die politische Souveränität sicher.

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Auch die neuen Vinci-Oberstufentriebwerke für die Ariane 6 werden zukünftig in Deutschland hergestellt (ESA/CNES/Arianespace)

Neues Programm für neue Fähigkeiten

  • Vinci-Triebwerk wird in Lampoldshausen getestet und gefertigt
  • Neue Stufe als Garant für einen flexiblen Transport ins All
  • Neue Rakete bekommt einen neuen Startplatz

Die Entwicklung der Ariane 6 und der Vega-C wurden im Jahre 2013 beschlossen. Seitdem hat sich die Landschaft im Raumtransportmarkt deutlich verändert. Einen großen Einfluss hat das Aufkommen der Mega-Konstellationen, aber auch Bestrebungen zur erneuten Erforschung und Nutzung des Mondes stellen ganz andere Anforderungen an Trägerraketen als vor rund zehn Jahren zu erwarten. Damit die zukünftigen europäischen Trägerraketen Ariane 6 und Vega-C in diesem Wettbewerb bestehen können, müssen sie an die neuen Marktanforderungen angepasst werden. Daher hat die ESA das Product Adaptations Programme (PAP) ins Leben gerufen, in dem viele verschiedene Einzelmaßnahmen zur Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten der europäischen Träger zusammengefasst sind. Eine hohe deutsche Beteiligung von 90 Millionen Euro am PAP hat die Weichen in Richtung einer wettbewerbsfähigen Ariane 6 gestellt und außerdem dazu geführt, dass und damit die deutsche Wertschöpfung in der Produktion gesteigert werden können. Mit ihrem Engagement sichert die Bundesregierung darüber hinaus den langjährigen industriellen Rückfluss während der Produktionsphase nach Deutschland und damit mehr als 1.000 hochqualifizierte Arbeitsplätze in München, Augsburg, Lampoldshausen sowie Bremen. Deutschland ist nach Frankreich zweitgrößter Teilnehmer am Ariane-Programm und unterstützt damit signifikant die Sicherstellung des unabhängigen europäischen Zugangs zum Weltraum. Derzeit ist Deutschland mit ungefähr 17 Prozent an der Ariane-5-Produktion und circa 23 Prozent am Entwicklungsprogramm zu Ariane 6 beteiligt. Kern der Aktivitäten bei der Ariane 6 ist die Entwicklung einer leistungsgesteigerten Version namens Ariane 6 Block 2, die Mega-Konstellationen wie der des Kuiper-Projektes, für die bereits Aufträge über 18 Starts vorliegen, oder der neuen IRIS2-Konstellation der EU effizient starten kann. Alle anderen kommerziellen und institutionellen Kunden werden ebenfalls von dieser leistungsgesteigerten Version profitieren. Neben der Entwicklung der Block 2 werden im PAP aber auch viele der bereits laufenden Programme zur Kostensenkung und Erhöhung der Flexibilität der europäischen Träger weitergeführt und zu Ende gebracht. Kern des deutschen Engagements sind hier der Abschluss der Entwicklung der Kick-Stufe sowie die Verlagerung der Abnahmetests und Endmontage des Vinci-Triebwerks von Vernon nach Lampoldshausen.

Der Weg zum Erststart von Ariane 6

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Vollständiges Ariane 6 Modell soll Mitte des Jahres 2023 getestet werden. (ESA-Manuel Pedoussaut)

Die Entwicklung der Ariane 6 nähert sich langsam ihrem Ende. Aktuell werden in den Montagehallen die Haupt- und Oberstufe für den Erststart fertig gestellt. Bereits in vollem Einsatz befinden sich die Testmodelle. Eine voll funktionsfähige Version der Oberstufe wurde Anfang des Jahres 2023 am DLR Standort Lampoldshausen auf Herz und Nieren geprüft. Hier geht es insbesondere darum, das völlig neue Antriebssystem, das mehrfache Wieder-Zündungen und verschiedene Schubstärken bietet, unter möglichst realen Bedingungen zu testen. Dafür wurde extra ein hochmoderner Prüfstand gebaut, der die gesamte Oberstufe aufnehmen kann und neben der Steuerung auch eine Vielzahl von Messungen erlaubt. Bereits in Kourou wird das sogenannte kombinierte Testmodell eingesetzt, mit dem alle Abläufe von der Anlieferung bis zum Start getestet werden. Diese Tests werden gegen Mitte des Jahres mit einem Test des Antriebssystems der Hauptstufe über die volle Brenndauer auf dem Starttisch abgeschlossen werden.

Ein Programm für zukünftige Trägertechnologien

Das Future Launchers Preparatory Programme (FLPP) ist das eigenständige Programm zur trägerübergreifenden Technologieentwicklung und -vorqualifizierung. Systemstudien erlauben dabei die Entwicklung von Technologien für zukünftige Trägersysteme, um Entwicklungs- und Kostenrisiken in Trägerentwicklungsprogrammen zu minimieren sowie die Risiken im Vorfeld besser zu quantifizieren. Schwerpunkte sind derzeit die Entwicklung einer kostengünstigen Oberstufe in Leichtbauweise aus Kohlefaserverbundwerkstoff (Projekt PHOEBUS), die Verbesserung der Leistungsfähigkeit existierender und neuer Triebwerke (Vulcain NEO, Vinci Evolution) sowie die Umsetzung und Industrialisierung neuer Prozesse und Methoden wie zum Beispiel additive Fertigung. Die Auftragsvergabe soll dabei zunehmend in wettbewerblichen Verfahren erfolgen und die Bedarfe von etablierten und neuen Marktteilnehmern gleichermaßen abdecken.

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MT Aerospace und ArianeGroup werden mit PHOEBUS den Prototyp einer hochoptimierten schwarzen Oberstufe aus Kohlefaserverbundwerkstoffen entwickeln, um bis zu zwei Tonnen zusätzliche Nutzlastkapazität ins All zu bringen. (ArianeGroup)

BOOST für privat entwickelte europäische Träger

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Der erste deutsche Mikrolauncher soll vom nordnorwegischen Startplatz Andøya abheben. (Andøya Space Port)

Deutschland setzt mit der Zeichnung von insgesamt 31 Millionen Euro im BOOST!-Programm sein Engagement in der Kommerzialisierung von Raumtransportdienstleitungen fort. Der Mikrolauncher-Wettbewerb Deutschlands hat gezeigt, dass der Kauf kommerzieller Startdienstleistungen und somit der Auftritt als Ankerkunde die Kommerzialisierung der Raumfahrt vorantreiben kann. Die deutsche Zeichnung bei der Auflegung des Programms im Jahr 2019 hat einen enormen Hebel entfaltet. Die drei am Wettbewerb teilnehmenden deutschen Start-Ups HyImpulse Technologies, Isar Aerospace Technologies und Rocket Factory Augsburg haben während der Laufzeit rund 200 Millionen Euro privates Kapital mobilisiert. Über 500 Mitarbeiter arbeiten inzwischen bei den drei Firmen. Zudem fanden sich die drei deutschen Firmen in den Top-4 beim „EIC Launcher Prize“ der Europäischen Kommission. Die Programmzeichnung in Paris mit Fokus auf dem BOOST!-3-Element, das auf den Kauf von Startdienstleistungen fokussiert, ist die Basis für die Fortschreibung dieser Erfolgsgeschichte. Programmatisch wurde zudem auf Initiative Deutschlands von allen ESA-Staaten beschlossen, zukünftige Startdienstleistungen wettbewerblich unter Berücksichtigung der neuen europäischen Marktteilnehmer zu beschaffen. Das Tor zu einem großen institutionellen Markt ist damit aufgestoßen.

Gegenwart und Zukunft der Ariane 6 in Videos

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