Die ARTES 4.0-Werkzeugkiste
Im Programm Core Competitiveness (ARTES 4.0 CC) werden Entwicklungen und Erprobungen auf Komponentenebene entlang der gesamten Entwicklungskette unterstützt – von den ersten Konzepten, über die Technologie- und Geräteentwicklung bis hin zur Produktqualifikation und Testflügen im Weltraum. Die Vorhaben in ARTES 4.0 CC können dabei Teile oder die gesamte Entwicklungskette durchlaufen. Dabei können komplett neue Entwicklungen für neue Märkte und Kunden entstehen oder Produktverbesserungen herbeigeführt werden, um die Marktposition gegenüber Konkurrenten zu stärken. Das Programm ist in die Komponenten „Competitiveness & Growth“ (C&G) und „Advanced Technology“ (AT) untergliedert. In C&G werden produktorientierte Industrievorschläge mit einer industriellen Ko-Finanzierung unterstützt, während die AT-Aktivitäten von ESA im Wettbewerb ausgeschrieben werden und auf die Entwicklung innovativer Technologien zielen. Deutschland ist mit seinem Beitrag von 50 Millionen Euro hinter Frankreich und Belgien etwa gleichauf mit dem Vereinigten Königreich.
Innerhalb des Programms Partnership Projects (ARTES 4.0 PP) liegt der Fokus auf dem übergeordneten Systemgedanken. Gemeinsam mit einem Hauptauftragnehmer werden innovative Komponenten in ein Gesamtsystem, zum Beispiel in einen kompletten Satelliten oder ein komplexes Bodensegment integriert und demonstriert. Deutschland hat seine Beteiligung am Projekt „Novacom I“, in dem der Satellitenhersteller Airbus Toulouse seine flexible „OneSat“-Plattform für den geostationären Markt entwickelt, um weitere zehn Millionen Euro erhöht, um weitere Unterstützungsmöglichkeiten für deutsche Zulieferer zu schaffen. Am Projekt „HummingSat“, in dem der schweizerische Hersteller Swissto12 einen Satelliten innerhalb des neuen Segments der sehr kleinen geostationären Satelliten entwickelt, hat sich Deutschland mit zehn Millionen Euro beteiligt, um Zulieferer aus Deutschland zu unterstützen.
Im Programm Business Applications Space Solutions (ARTES 4.0 BASS) werden satellitenbasierte Dienste entwickelt, um neue Nutzungsmöglichkeiten vorhandener Raumfahrtsegmente zu generieren. Mit der MK22 wird das Programm fortgesetzt, wobei die ESA Business Incubation Center (BIC) und die Technology Broker von BASS in das ScaleUp-Programm transferiert wurden. Deutschland hat Mittel in Höhe 18,82 Millionen Euro von für ARTES 4.0 BASS bereitgestellt.
Die strategischen Schwerpunktthemen
Mittlerweile ist die Raumfahrt in der Standardisierung des Mobilfunkstandards 5G verankert. Das ist auch ein Verdienst, zu dem die strategische Programmlinie 5G erheblich beigetragen hat. Damit können Satelliten beitragen, bestehende Versorgungslücken zu schließen und Konnektivität an Orte und Fahrzeuge zu bringen, die sich bisher terrestrisch nicht anbinden ließen. Auf der Ministerratskonferenz wurde die Programmlinie ARTES 4.0 5G/6G um die Ziele des nächsten Mobilfunkstandards 6G sowie die nachhaltige Konnektivität erweitert. In der Linie werden die Entwicklungen von konkreten Anwendungen in vertikalen Märkten unterstützt, um Endanwendern den Nutzen der Satellitenkommunikation zu demonstrieren. Für die Satellitenkommunikation bietet sich damit die Möglichkeit, nicht mehr nur auf Nischenmärkte und das sinkende Rundfunkgeschäft begrenzt zu werden, sondern einen Teil des deutlich größeren Mobilfunkmarktes zu bedienen. Ein Schwerpunkt ist dabei die Nutzung des satellitenbasierten Mobilfunks zur Steigerung ökonomischer und ökologischer Effizienz, beispielsweise im Transportsektor durch effizientere Verkehrssteuerung. Deutschland hat Mittel in Höhe von 20,67 Millionen Euro für ARTES 4.0 5G/6G bereitgestellt.
Die sichere Kommunikation wird für institutionelle und viele private Kunden immer wichtiger. Dies betrifft sowohl die Erhöhung der Abhörsicherheit als auch der Robustheit der Kommunikationswege. Die strategische Linie ARTES 4.0 „Weltraumsysteme für Schutz und Sicherheit“ (ARTES 4.0 4S) wurde bereits auf der Ministerratskonferenz Space19+ ins Leben gerufen und wird nun nahezu unverändert fortgeführt. Ein besonderer Schwerpunkt der Linie ist die Quantenschlüsselverteilung. Hierbei werden Schlüssel, die zum Schutz von sensitiven Daten genutzt werden können, von satellitenbasierten Lasern mit Methoden der Quantenmechanik abhörsicher verteilt. Dies umfasst unter anderem das auf die EU-Initiative ausgerichtete Projekt SAGA, sowie das von kommerziellen Firmen initiierte Projekt Eagle-1. Deutschland hat Mittel in Höhe von 57,78 Millionen Euro für ARTES 4.0 4S bereitgestellt.
In der optischen Kommunikation können per Laser große Datenmengen über weite Distanzen übertragen werden. Neben der hohen technischen Leistungsfähigkeit besticht die optische Kommunikation durch eine geringe externe Störbarkeit und das Wegfallen der Notwendigkeit zur immer schwieriger werdenden Frequenzkoordination. Optische Laserterminals werden zunehmend das Rückgrat der neuen Megakonstellationen, sodass diese durch Satellit-zu-Satellit-Verbindungen als immer leistungsfähigere Netzwerke agieren können. Zu Sicherung und Ausbau des europäischen und hier besonders des deutschen Vorsprungs in der optischen Kommunikation wird die strategische Programmlinie ScyLight fortgesetzt und um die an Bedeutung gewinnende Quantenkommunikation erweitert (ARTES 4.0 Optical and Quantum Communication – ScyLight). Deutschland hat Mittel in Höhe von 54,88 Millionen Euro für ScyLight bereitgestellt.
Technologieentwicklung für Europas souveräne Konnektivität IRIS²
Die EU bereitet mit IRIS² ihre dritte große Raumfahrtinfrastruktur vor. Damit soll ein europäisches, satellitenbasiertes Kommunikationssystem für sicherheitskritische Nutzer in Europa aufgebaut werden. Synergetisch soll damit auch der Zugang zu Konnektivität für europäische Bürgerinnen und Bürger verbessert werden, da die europäischen Betreiber durch eine erhöhte Nachfrage nach behördlicher Konnektivität ihre Geschäftsmodelle auf eine breitere Basis stellen können. Die ESA wird im neuen optionalen Programm „ESA Programm mit Bezug zur EU sicheren Konnektivität" (Secure Connectivity) die für IRIS² notwendigen Entwicklungen und Demonstrationen für die EU-eigene Infrastruktur durchführen. Um dabei die EU-Bedarfe sicher zu erfüllen, wird der Prozess zur Auswahl möglicher Bieter in enger Koordination mit der Europäischen Kommission durchgeführt. Deutschland hat sich an diesem neuen Programm mit 189 Millionen Euro beteiligt und liegt im Programm damit hinter einer sehr starken französischen Beteiligung an zweiter Stelle. Das große Engagement der Bundesrepublik stärkt die Position aller deutschen Raumfahrtakteure, um sich mit innovativen Ideen am anstehenden Ausschreibungsprozess der EU und bei ESA zu beteiligen.